Archiv der Kategorie: Fanhilfe Hertha BSC

Black-Box Datei „Gewalttäter Sport“ – Zeit für den Schredder

In den vergangenen Monaten ist die bundesweite Datei „Gewalttäter Sport“ erfreulicherweise verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Grundlage dafür sind zahlreiche parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung. Ebenso wurde in diesem Zusammenhang auch im Berliner Abgeordnetenhaus nachgefragt. Eigentlich soll das Fragerecht der Parlamentarier*innen dazu dienen, das Handeln der Regierungen zu kontrollieren bzw. nachzuvollziehen. Diese blockieren hingegen jegliche Aufklärung und drehen sich bei ihren Antworten im Kreis. Und das, obwohl in dieser Datei 7.841 Personen gespeichert sind (Stand: 04. Februar 2021, 19/26771).

Die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar hat seit Beginn des Jahres durch zahlreiche Anfragen versucht, Informationen u. a. zu den Speichergründen, Anzahl der Speicherungen sowie Zeitpunkten der Speicherung in Erfahrung zu bringen. Das im Zeitraum März bis Dezember 2020 insgesamt 1 056 Neueinspeicherungen erfolgten, obwohl dort keine oder nur sehr wenige Zuschauer in den Stadien waren, reicht eigentlich schon aus, um diese Datei zu entsorgen. Doch das zuständige Bundesinnenministerium (BMI) dreht sich nun auch bei der Argumentation, warum diese Personen unbedingt gespeichert werden müssen im Kreis. In der Antwort (Frage 12) vom 17.02.2021 heißt es:

„[…] Der Zeitpunkt der Neuspeicherung einer Person/eines Sachverhaltes in der DGS ist nicht zwingend an den Tatzeitpunkt gebunden. Neben der Frage der Sachverhaltsklärung im Rahmen notwendiger polizeilicher Ermittlungshandlungen, ist in Bezug auf die erforderliche Datenqualität vor einer Speicherung jeweils eine umfangreiche Prüfung des Einzelfalls über die Polizeibehörden der Bezugsvereine bzw. der Wohnort-Behörden notwendig, sodass zwischen Tatzeitpunkt und Eintrag in der DGS durchaus mehrere Monate liegen können. Darüber hinaus kam es auch im Zusammenhang mit Spielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit (sog. Geisterspiele) teilweise zur Zusammenkunft von Fan-/ Störergruppen, z. B. in Verbindung mit dem organisierten Abbrand von Pyrotechnik sowie in Einzelfällen auch zu sog. Drittort-Auseinandersetzungen. […]“

Neben dem zeitlichen Verzug der Speicherung, den wir in der Praxis nicht feststellen können, sollen also laut BMI Zusammenkünfte am Rande der Geisterspiele für die Neuspeicherungen verantwortlich sein. Interessant ist nur, dass dasselbe Ministerium bei der Beantwortung einer neuerlichen Anfrage nun informiert, diese Gründe würden innerhalb der DGS gar keine recherchefähigen Datenfelder besitzen (19/28369, Frage 1 bis 8). Woher das BMI aber dann die Informationen hat, dass die Neueinspeicherungen auf dieser Grundlage erfolgen bleibt deren Geheimnis. Gewählte Abgeordnete und die Öffentlichkeit werden augenscheinlich an der Nase herumgeführt! Und als „Zugabe“ verweigert das BMI auch noch im Rahmen beider Anfragen eine öffentliche Aufschlüsselung der Vereinszugehörigkeiten mit Verweis auf die „Gefährdung des Staatswohls“. Es ist eine Farce.

Im März fragte der Abgeordnete des Berliner Abgeordnetenhauses, Niklas Schrader, den Senat, u. a. welche Anzahl an Speicherungen das LKA in den vergangenen zwölf Monaten vorgenommen hat. Auch hier dasselbe Bild: Im Zeitraum zwischen März 2020 und März 2021 wurden von der Berliner Polizei 91 Datensätze in die Datei „Gewalttäter Sport“ übermittelt (18/26920, Frage 4). Allein 46 Dateneinträge basierten laut Antwort der Innenverwaltung auf Personalienfeststellungen und hatten somit rein gar nichts mit einer Gewalttat oder Ähnlichem zu tun. Noch abenteuerlicher wird es aber bei der ebenso existierenden Berliner Datei „Szenekunde Sport“. Hier gab es im selben Zeitraum 71 Neueintragungen, davon 19 mit der Begründung „Gefährderansprache“ und 21 aufgrund von Identitätsfeststellungen. Und das alles auch hier in einem Zeitraum, in dem das Zuschaueraufkommen gegen null ging!

Es zeigt sich einmal mehr, dass diese Dateien auf Bundes- und Landesebene ein Eigenleben entwickelt haben, welches nicht mehr zu kontrollieren ist. Wer es dennoch versucht, wird bewusst blockiert und ausgebremst. Der Schaden für die betroffenen Personen ist hingegen enorm. Es ist endgültig Zeit für den Schredder!

Pressemitteilung: Nächster Freispruch für Herthafan am Amtsgericht Dortmund – Ermittlungsergebnisse nicht ausreichend

Die gegen einen Freispruch von Anfang Januar eingelegte Berufung, wurde gestern durch die Staatsanwaltschaft zurückgezogen. Somit ist der Herthafan, der im Zusammenhang mit den Ereignissen beim letzten Gastspiel im Westfalenstadion (Richtigstellung vom 28.10.2018) unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt war, rechtskräftig vom Amtsgericht Dortmund freigesprochen.

Dazu erklärt die Fanhilfe Hertha BSC:

„Der nächste rechtskräftige Freispruch für einen Herthaner, welcher mit Unterstützung der Fanhilfe erreicht wurde, lässt uns hoffnungsvoll auf die kommenden Monate blicken. Denn augenscheinlich folgen auch die Gerichte nicht blind den, von uns schon mehrfach kritisierten, Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Wir gehen davon aus, dass dies nicht der letzte Freispruch gewesen sein wird!“

Die Rechtsanwältin der Fanhilfe, Gloria Holborn, kommentiert die Entscheidung im Verfahren gegen ihren Mandanten wiefolgt: „Das Gericht stellte eindeutig klar, dass ein einheitlich getragener Pullover, sogar in Verbindung mit weiteren Indizien, allein kein Grund für eine Verurteilung sein darf! Das nun auch die Staatsanwaltschaft ihren Einspruch gegen dieses Urteil zurückgezogen hat, ist nur folgerichtig. Die nicht unerheblichen Verfahrenskosten trägt die Staatskasse.“

Schon seit Beginn der Ermittlungen im Oktober 2018 hat sich die Fanhilfe Hertha BSC in teilweiser Zusammenarbeit mit der Fanhilfe von Borussia Dortmund, kritisch zu den Vorgehensweisen der Beamten am und im Nachgang des Spieltages geäußert (Gemeinsame Pressemitteilung vom 27.10.2018).

Pressemitteilung: Ermittlungsfehler häufen sich – Verwechslung sorgt für Freispruch

Ein KSC-Fan, der sich laut Ermittlungsbehörden an den Ereignissen beim letzten Gastspiel der Hertha am 27.10.2018 im Westfalenstadion beteiligt haben soll, wurde heute richtigerweise freigesprochen. Denn in Dortmund war er gar nicht.

Dazu erklären gemeinsam die Fanhilfe Karlsruhe und die Fanhilfe Hertha B.S.C.:

„Die bisherigen Ermittlungen zu den Geschehnissen an diesem Tag, haben schon für reichlich Kopfschütteln gesorgt. Das nun aber eine Person aufgrund einer Verwechslung vor Gericht erscheinen musste und sie der gesuchten Person nicht einmal annähernd ähnlich sieht, ist eine neue Dimension von fehlerhafter Polizeiarbeit.

Anhand von Bildern des besagten Tages und durch Zeugenaussagen wurde belegt, dass der Angeklagte zeitgleich das Auswärtsspiel des KSC im 600km entfernten Unterhaching besuchte. Dies wurde durch die anwaltliche Vertretung dem Gericht bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung mitgeteilt. Warum das Verfahren trotzdem stattfinden musste, ist aus unserer Sicht völlig unverständlich. Die vermeidbaren Verfahrenskosten muss nun der Steuerzahler tragen.

Selbst die Stadionverbotskommission des BVB erkannte, dass der KSC-Fan nicht in Dortmund gewesen sein konnte und sprach das beantragte Stadionverbot nicht aus.

Dieser Fall reiht sich ein in eine Vielzahl von Ermittlungsfehlern. Bei der utopischen Größe des Beschuldigtenkreises gehen wir fest davon aus, dass dies nicht der letzte Freispruch gewesen sein wird!“

Fanhilfen kritisieren Beschlussvorschlag für Innenministerkonferenz

Auf der anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) vom 04. bis 06. Dezember 2019 in der Hansestadt Lübeck sollen erneut Gesetzesverschärfungen gegen Fußballfans beschlossen werden (Hintergrund). Die IMK soll demnach unter anderem eine härtere Bestrafung des Abbrennens von Pyrotechnik, eine Reformierung des Landfriedensbruchs sowie den Entzug der Fahrerlaubnis bei Vergehen im Zusammenhang mit Fußballspielen beschließen. Die Fanhilfen kritisieren allein die Debatte über derlei Maßnahmen als realitätsfremd, unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Erst kürzlich wurde im aktuellen Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der wiederholte Rückgang von eingeleiteten Strafverfahren und verletzten Personen im Zusammenhang mit Fußballspielen festgestellt – Ein Trend, der seit Jahren anhält. Weshalb nun also erneut Gesetze verschärft werden sollen, um Fußballfans noch mehr als ohnehin schon zu kriminalisieren, erscheint schleierhaft. Vielmehr scheint es ein erneut billigster Versuch, sich über kurzgedachte und ineffektive Maßnahmen als vermeintlich “durchgreifender” Law-and-Order-Politiker in der Öffentlichkeit profilieren zu wollen.

Die Erfahrung der Fanhilfen zeigt, dass die bereits existierenden Gesetze und weitgehenden Strafverfolgungsmöglichkeiten bei Fußballfans im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppen bis zum letzten ausgereizt werden. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird von Polizei und anderen Behörden oftmals kaum bis gar nicht beachtet. Ohne jemals einer Straftat schuldig gesprochen worden zu sein, mit einem bereits bei Zustellung Gebühren verursachenden Betretungsverbotsbescheid bedacht zu werden, ist Zeugnis dessen genug. Ähnliches gilt für die Speicherung in illegalen Polizeidateien, ohne darüber auch nur ansatzweise informiert zu werden. Was an Fußballfans aus Sicht der Sicherheitsbehörden „erfolgreich“ getestet wurde, trifft später auch alle anderen. Inwieweit der Entzug der Fahrerlaubnis beispielsweise zu sichereren Fußballspielen beitragen soll, bzw. dass umgekehrt eine Person, die im Stadion auffällig wird, gleichzeitig nicht fahrtüchtig sein soll, bedarf ebenso mindestens einer Erklärung.
Aus Sicht der Fanhilfen handelt es sich hierbei schlichtweg um Populismus und das auf Kosten von Freiheitsrechten eines jeden Einzelnen.

Bezüglich Pyrotechnik von einer gesellschaftlichen Missbilligung und dem Ausdruck zu verleihen in einer solchen Totalität zu sprechen, erscheint überdies mindestens anmaßend in Anbetracht sicherlich durchaus abweichender Meinungen bei nicht wenigen Menschen, die tatsächlich die Fußballstadien der Republik besuchen. Nicht nur als Fußballfan, sondern auch als gemeiner Steuerzahler fragt man sich doch eingängig, ob es nicht wichtigere Themen auf einer Innenministerkonferenz zu besprechen gibt, die die Gesellschaft in der Tat derlei missbilligt.

Insbesondere im Hinblick auf negative Beispiele in eben jenen Strafverfolgungsbehörden in der jüngsten Vergangenheit sowie eine mangelnde transparente Fehlerkultur und die daraus resultierenden Folgen.

Knochenbruch durch Polizeiknüppel bleibt legal

Nach Einlegung einer Beschwerde zur Einstellung von Ermittlungen gegen Polizisten (siehe PM vom 05.06.19), wird auch die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm diese nicht weiter verfolgen.

Dazu erklärt die Fanhilfe Hertha B.S.C.:

„Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm macht sich zum willfährigen Erfüllungsgehilfen von prügelnden Polizisten und einem hetzenden Innenminister. Auch hier wird auf eine detaillierte Anzeige mit allgemeinen Anmerkungen, die keinerlei Bezug zu dem konkreten Fall besitzen, geantwortet. Eine Auseinandersetzung mit den erhobenen Vorwürfen hat wieder nicht stattgefunden. Diese Arbeitsweise lässt tief blicken und reiht sich nahtlos ein in die zahlreichen Fälle von Tolerierung massiver Polizeigewalt in ganz Deutschland.

Durch diese Vorgänge bestätigen sich unsere schlimmsten Befürchtungen, dass die Aufarbeitung der Geschehnisse vom 27.10.18 durch die Ermittlungsbehörden völlig einseitig geführt wird: Zahlreichen Strafbefehlen, Klageerhebungen und willkürlichen Stadionverboten stehen, trotz eindeutiger Beweislage, eingestellte Ermittlungsverfahren gegen prügelnde Polizisten gegenüber.

Für dieses schwere Versagen des Rechtsstaats tragen all jene die Verantwortung, die immer noch gegen die Kennzeichnungspflicht für Polizisten, sowie unabhängige Kontroll- und Ermittlungseinrichtungen hetzen. Die daraus bei vielen Personen entstehende Ablehnung staatlicher Institutionen wird dabei wissentlich in Kauf genommen.“