Am kommenden Sonntag den 18. September findet nicht nur unser Heimspiel gegen Gelsenkirchen statt, sondern es wird in Berlin auch gewählt.
Viele Themen, mit denen sich die Fanhilfe Hertha B.S.C. beschäftigt werden auf der politischen Ebene in Berlin entschieden. Als bestes Beispiel gilt dabei die Datei “Sportgewalt Berlin”, welche von der Berliner Polizei und der Innenverwaltung viel zu lange geheim gehalten wurde.
Daher haben wir uns dazu entschlossen, den im Abgeordnetenhaus von Berlin vertretenden Parteien Fragen zu übermitteln. Zwei Parteien (SPD, LINKE) waren so nett uns darauf zu antworten. Die anderen drei Parteien (CDU, Grüne, Piraten) haben uns in der von uns gesetzten Frist keine Antworten übermittelt. Nachfolgend finden sich die Antworten auf unsere Fragen.
Dies stellt keine Wahlempfehlung dar. Jedoch wird deutlich, dass sich unsere Themen auch in den politischen Entscheidungsprozessen wiederfinden. Dies ist somit ein weiterer Grund an der Wahl teilzunehmen.
1. In der Datei „Sportgewalt Berlin“ sind nach letztem Stand rund 1.400 Fußballfans gespeichert. Trägt diese Datensammlung zur Sicherheit in den Berliner Stadien bei? Wenn ja, inwieweit ist es sinnvoll dort Daten zu Personen zu speichern, die nachweislich nicht durch Straftaten aufgefallen sind, sondern z. B. als potenzielle Kontaktpersonen von möglichen Gewalttätern eingestuft werden?
LINKE: Wie die Bundesdatei „Datei Gewalttäter Sport“, trägt auch die Landesdatei Sportgewalt Berlin“ nicht zur Sicherheit in den Stadien bei. Die Beliebigkeit bei der Eintragung sowie die innerhalb kurzer Zeit relativ stark schwankenden Zahlen der dort Eingetragenen und die Vielzahl fehlerhafter Eintragungen zeigen, wie zweifelhaft der Sinn und Zweck dieser Datei ist.
Inzwischen gibt es auch genug Beispiele, dass Personen dort über Jahre hinweg gespeichert worden sind, ohne jemals strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Wie dies dem rechtsstaatlichen Prinzip der Unschuldsvermutung entsprechen und wie hieraus mehr Sicherheit entstehen soll, konnte bisher – auch auf unsere parlamentarischen Anfragen hin – von niemandem dargelegt werden.
In unserem Parteiprogramm sprechen wir uns gegen den Abbau von Bürgerrechten und gegen ausufernde Überwachung und Datensammlungen aus. Das bedeutet auch, dass wir Dateien wie diese immer wieder auf ihre Erforderlichkeit und ihre Rechtsstaatlichkeit hin überprüfen und ggf. abschaffen wollen.
2. Aktuell wird keine Person darüber informiert, wenn sie in der Datei „Sportgewalt Berlin“ gespeichert wird, obwohl dies nachweislich weitreichende Konsequenzen für das Privatleben haben kann. Sehen Sie diese Verweigerung einer Auskunftspflicht als zeitgemäß und angemessen an? Wie sollte mit dieser Datei insgesamt nach dem Wahltag umgegangen werden?
SPD (Frage 1 & 2 zusammen): Wir werden einzelne Instrumente zum bisherigen Schutz der öffentlichen Sicherheit kritisch überprüfen. Dies gilt insbesondere für die Datei „Gewalttäter Sport“. Wir halten diese Form der Speicherung von personenbezogenen Daten ohne Recht auf Einsichtnahme der Betroffenen nicht mehr für zeitgemäß und werden deshalb eine Initiative zur Abschaffung der Datei „Gewalttäter Sport“ in Berlin ergreifen.
LINKE: Ein Grundrechtseingriff wie eine Datenspeicherung muss gerichtlich überprüfbar sein. Ein Auskunftsrecht zu gespeicherten Daten muss deshalb grundsätzlich jeder Person zustehen. Dazu gehört auch ein Recht auf Berichtigung und Löschung von falschen Daten. Nur unter sehr speziellen Bedingungen ist eine Verzögerung oder Verweigerung denkbar, beispielsweise im Rahmen einer aktuellen Ermittlung. Die generelle Weigerung der Datenherausgabe oder das Nichtbearbeiten der Anträge ist also nicht akzeptabel.
In dem konkreten Fall dürfte dies auch für das durchaus angespannte Verhältnis zwischen Sportfans und Polizei nicht förderlich gewesen sein.
DIE LINKE setzt sich bundesweit gegen den Abbau von Bürgerrechten und gegen den Ausbau des Sicherheitsstaates ein. Wir stehen für die Stärkung der individuellen Rechte, den Schutz persönlicher Daten und für eine unabhängige demokratische Kontrolle der staatlichen Sicherheitsorgane.
Ein erster Schritt nach der Wahl muss es sein, die in der Berliner Datei „Sportgewalt Berlin“ und nach Möglichkeit auch die in der Bundesdatei „Datei Sportgewalt“ erfassten Eintragungen zu überprüfen. Des Weiteren müssen die betroffenen Personen proaktiv informiert werden. Wenn die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Bremen das können, sollte dies auch in Berlin möglich sein.
Als zweiter Schritt muss überprüft werden, inwiefern neben der kritikwürdigen Datei auf Bundesebene auch noch eine weitere kritikwürdige Datensammlung auf Landesebene notwendig ist, um die Sicherheit bei Sportveranstaltungen zu gewährleisten.
Das sozialpädagogische Fanprojekt Berlin leistet seit etlichen Jahren eine unschätzbar große Arbeit, u. a. um zwischen Fans, Verein und Polizei zu vermitteln. Doch oftmals geraten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Grenzen. Wie und mit welchen Mitteln sollte zukünftig die Arbeit des Fanprojekts Berlin unterstützt werden?
SPD: Wir werden die Finanzierung der Fanprojekte in dem mit dem DFB und der DFL verabredeten Verfahren (50 Prozent durch den Fußball, 50 Prozent durch Land und Kommunen) weiterhin sicherstellen.
LINKE: Der Landessportbund hat schon 1990 mit dem Fanprojekt der Sportjugend ein wichtiges Projekt geschaffen. DIE LINKE Berlin will die Förderung des Sports – primär des Landessportbundes – in der bisherigen Größenordnung aufrechterhalten. Unabhängig davon streben wir an, dem gemeinnützigen Berliner Sport durch eine vertragliche Regelung mehr finanzielle Planungssicherheit zu geben. Dadurch wird unter anderem auch die Arbeit im Fanprojekt und ähnlichen Projekten in Berlin sicherer und planbarer.
Daneben ist auch mit Einbeziehung aller Beteiligten zu überprüfen, ob es sinnvoll ist, diese wichtige Arbeit mit sportinteressierten Jugendlichen weiter auszubauen und zumindest in die Nähe der Angebote aus der Anfangszeit des Fanprojekts zu kommen. Vorbeugende Arbeit mit jungen Menschen ist in jedem Falle sinnvoller als im Nachhinein mehr Überwachung und Repression auszuüben. In diesem Sinne haben wir als LINKE auch die Einrichtung des Fanprojekts „Streetwork Alte Försterei“, das in der Zuständigkeit von Gangway e.V. liegt, unterstützt. Dieses Projekt richtet sich an jugendliche Fußballanhängerinnen und -anhänger des 1. FC Union Berlin und soll „gewaltpräventive und konfliktlösende Aufklärungsarbeit“, so der Berliner Senat, leisten. Es soll die Arbeit des Fanprojekts der Sportjungend, ausgerichtet auf die Arbeit mit jugendlichen Fans von Hertha BSC und BFC Dynamo, ergänzen. Beide Fanprojekte sollen eng zusammenarbeiten und ihre Aktivitäten abstimmen.
Wir setzen uns dafür ein, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der sozialpädagogisch ausgerichteten Fanarbeit mit Jugendlichen gute Bedingungen für eine vertrauensvolle Arbeit mit den jungen Menschen zu schaffen. Dazu gehören vor allem Planungssicherheit in der Finanzierung und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen, um auch auf aktuelle und neue Bedarfe reagieren zu können und eine gute Netzwerkarbeit mit Jugend- und Bildungseinrichtungen auch über das Fußballstadion hinaus zu entwickeln.
Ein viel diskutiertes Problem in der sozialpädagogisch ausgerichteten Fanarbeit ist das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fanprojekte. Ein vertrauensvoller Umgang mit den Jugendlichen kann nicht entstehen, wenn im Nachhinein die Angaben aus vertraulichen Gesprächen bei Dritten landen. Wir setzen uns dafür ein, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und damit auch den Jugendlichen entsprechende Möglichkeiten und Handlungssicherheit für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen.
Die Zahl der eingesetzten Polizeibeamten bei Fußballspielen steht immer wieder im Zentrum der öffentlichen Debatte. Meist geht es um eine mögliche Kostenübernahme durch die Vereine und die hohe Arbeitsbelastung der eingesetzten Beamten. Wie stehen Sie zum Vorgehen Bremens, die Rechnung der Einsatzkosten an die Vereine zu übertragen? Sehen Sie in Berlin die Notwendigkeit die Einsatzstärke der Polizei bei Fußballspielen an die gegebene Gefahrenlage zu überdenken?
SPD: Ob Sportereignisse oder Konzerte, Berlin lebt von Großveranstaltungen. Veranstalter sind für die Sicherheit auf ihrem Gelände zuständig, außerhalb ist es die Polizei. Die Verfolgung von Straftaten obliegt allein der Polizei. Eine Beteiligung an den Kosten wird es mit uns nicht geben.
LINKE: Die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen wie in Bremen den Vereinen in Rechnung zu stellen, halten wir für falsch. In der Tat sollte bei privaten Großveranstaltungen am Veranstaltungsort selbst (wie etwa im Fußballstadion) der Veranstalter für die Gewährleistung von Sicherheit sorgen und die damit verbundenen Kosten tragen. Dies ist ja bereits gängige Praxis.
Darüber hinaus ist es bei solchen Veranstaltungen notwendig, das umliegende öffentliche Straßenland sowie An- und Abfahrtswege abzusichern. Hierbei handelt es sich um öffentlichen Raum, in welchem es Aufgabe des Staates ist, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Hier ist nach wie vor der Einsatz von Polizeikräften nötig. Das kostet den Steuerzahler Geld, ist aber unvermeidbar, denn wir sind der Ansicht, dass die Sicherung öffentlichen Raumes eine hoheitliche Aufgabe bleiben sollte. Die Alternative wäre, dass ein Teil solcher Veranstaltungen nicht stattfinden könnte oder die Gewährleistung von Sicherheit in die Hand von privaten Sicherheitsdiensten gegeben würde. Dies halten wir nicht für erstrebenswert.
Zudem würden von solch einer Regelung nur die großen, finanzstarken Vereine profitieren, die diese Kosten tragen und steuerlich geltend machen können, während die vielen kleinen Sportvereine im Land solch finanziellen Belastungen kaum tragen könnten. Das könnte die wichtige gesellschaftliche Funktion dieser Vereine gefährden.
Eine Anpassung der Einsatzstärke an die jeweilige Lage ist grundsätzlich immer angezeigt. Nicht immer bedeuten mehr Einsatzkräfte auch mehr Sicherheit. Wir treten für ein deeskalierendes und wann immer möglich zurückhaltendes Auftreten der Polizei bei Fußballspielen ein. In die Bewertung der Gefahrenlage und die Einsatzplanung im Vorfeld von kritischen Begegnungen sollten Vereine und Fangruppen stets einbezogen werden. Sinnvolle Ansätze, die Einsatzstärke bei Fußballspielen zu reduzieren, wie sie etwa in Nordrhein-Westfalen praktiziert worden sind, sollten auch in Berlin erprobt werden.